Levan Tsagareli Inhalt Georgier in Deutschland und Deutsche in Georgien Kurze Geschichte der kulturellen Beziehungen Einige Beispiele gegenseitiger Kulturrepräsentation Aufhebung der Gewalt im Medium der Fiktion ID: 812342
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Deutsch-georgische Beziehungen – ein kulturgeschichtlicher Überblick
Levan
Tsagareli
Slide2Inhalt
Georgier in Deutschland und Deutsche in Georgien – Kurze Geschichte der kulturellen Beziehungen
Einige Beispiele gegenseitiger Kulturrepräsentation
Aufhebung der Gewalt im Medium der Fiktion –
Giwi
Margwelaschwilis
metaliterarischer Chiliasmus
Frühe Begegnungen:
vom 12. bis 18. Jahrhundert
1121 – Beteiligung deutscher Kreuzfahrer in der Schlacht von
Didgori
gegen die
Seldshuken
1181 – Gesandtschaft Kaisers Friedrich I. Barbarossa nach Georgien: Verhandlungen über eine Eheschließung seines Sohnes Friedrich von Schwaben mit der späteren Königin Tamar
1285 – Kolchis auf der berühmten
Ebstorfer
Weltkarte
Im 13. Jh. Abbruch der Kontakte infolge der des Vordringens von Mongolen
Deutsche Reiseberichte zwischen 15.-18. Jahrhundert:
Johann
Schiltberger
(1380-1427):
Reise durch Europa,
Asia
und Afrika
Salomon Schweiger (1551-1622), Adam
Olearius
(1599-1671)
Johann Anton
Güldenstädt
(1745-1781):
Reisen durch Russland und im kaukasischem Gebirge
Jakob
Reineggs
(1743-1793, „Jakob
Bey
“) als Berater am Hofe
Erekles
des II. (1781):
Allgemeine Historisch-topographische Beschreibung des Kaukasus
(1786/97)
Slide4Andreas Gryphius (1616-1664)
Catharina
von
Georgien
(1657)
Slide5Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781): Minna von Barnhelm (1767)
WERNER. – Just, – hast du von dem Prinzen
Heraklius
gehört?
JUST.
Heraklius
? Ich
wüßte
nicht.WERNER. Kennst du den großen Helden im Morgenlande nicht?
Slide6Deutsche in Georgien im 19. und frühen 20. Jahrhundert
Einwanderung deutscher Kolonisten aus Württemberg (1817)
deutsche Siedlungen: Alexanderdorf,
Tifliser
Kolonie, Marienfeld, Elisabethtal,
Katharinenfeld
, Petersdorf
Um 1900
ca 12 000 Deutsche im Südkaukasus
Landwirtschaft, Weinbau, HandwerkFachwerkhäuser,
Trachten, Kleidung, Sprache
Slide7Deutsche Forscher in Georgien
Heinrich Julius
Klaproth
:
Reise in den Kaukasus und nach Georgien
(1807/1808)
Morphologen Moritz von Engelhardt und Friedrich
Parrot
Vegetationsforscher Karl KochNaturwissenschaftler Moritz Wagner und Friedrich Kolenati (erforschte Gletscher des Kaukasus)
Gottfried Merzbacher: die erste wissenschaftliche Karte des kaukasischen Hochgebirges (1891/92)Arnold Moritz: das erste Observatorium im Kaukasus (1850)Der Botaniker Heinrich Scharrer: seit 1861 Direktor des botanischen Gartens
Slide8Das Kaukasische Museum
Naturforscher Gustav
Radde
(1831-1903):
botanische und zoologische Forschungsreisen; 1867-1903: Begründer des Kaukasischen Museums
Maler Simm und seine Frau: April-Mai 1881 – Bemalung des Treppenhauses des Kaukasischen Museums für den V. Archäologischen Kongress
Friedrich Bayern: naturkundliche Sammlung – 5000 Tiere der Kaukasuswelt
Chemiker Hermann Abich: physisch-geographische Erschließung des Kaukasus; geologische und archäologische Sammlung
Ethnographische Sammlung: kaukasische Völker in Originalkostümen
Slide9Deutsche Architekten in Georgien
Otto Jacob
Simonson
:
Fa
s
sade
des Palastes des Vizekönigs…Otto Jacob Simonson
& Heinrich Scharrer: Alexanderpark, Bau der Gerichtskammer, Hauptgebäude des ObservatoriumsAlbert Salzmann: Mädchenkolleg, das Kaukasische Museum, das Museum für Militärgeschichte (heute: Nationalgalerie)Paul Stern, Ferdinand
Lehmkuhl, Joseph Ditsmann, Leopold Bielfeld: Rathaus, Oper
Slide10Deutsche in Bildung, Musik und Literatur
Viktor Schröter: Entwurf des Schatztheaters (1896)
Musikprofessor Franz
Kessner
: Gründung des ersten professionell geführten Quartetts (1881), der erste Professor des Konservatoriums
Poet Friedrich von
Bodenstedt
: 1843-1845 als Lehrer in Tiflis, Gedichte über Kaukasus
Arthur Leist (in Georgien 1892-1927)Erstübersetzungen alter georgischer Texte und Literatur (
Shota Rustavelis Ritter im Tigerfell
)
Die erste Anthologie georgischer Lyrik
Studien zu
Ehnografie
, Geschichte und Kultur des Kaukasus
Chefredakteur der deutschsprachigen Zeitung
Kaukasische Post
(1906-1922)
Slide11Deutsche Maler in Georgien
Georg Kiesewetter
Paul von Franken
Theodor
Horschelt
– Chronist des russischen Kaukasuskrieges
Max
Tilke – ethnographischer ZeichnerOskar Schmerling: Karikaturen
Oskar Schmerling, Boris Vogel, Richard Karl Sommer – Lehre an der Schule für Malerei, Skulptur und Baukunst Lado
Gudiashvili
Slide12Deutsche in Gewerbe und Wirtschaft
Spezialgesch
äfte
, die ersten Apotheken, Dienstleistungsbereich
Friedrich Salzmann: Hotel in
Rike
(1836)
Hotel Wetzel an der Michael Allee
Apollo Kino unter deutscher Leitung (1909)Firma Siemens & Halske: Bau
von Telegrafenleitungen; Filiale in Tiflis (1860); Kupfererzen, Bau von Wasserkraftwerken, Netz für die StormversorgungOtto Siemens – Generalskonsul (1868)Krupp & Thyssen: Förderung des Manganerzes bei
Tschiatura
Slide13Deutschland und Georgien zwischen
den
Weltkriegen
Vertrag
von
Poti
(1818)
: Schutz gegen Osmanen und die
Bolschewiki, Privilegien bei der Ausbeutung von Erzen und dem Transit von Erdöl aus Baku
3000 Mann starkes Expeditionskorps unter Leitung von Kress von KressensteinFriedrich-Werner Graf von der Schulenberg
– der erste deutsche Botschafter
Seit 1930 Verschlechterung der Situation für die deutschen Bewohner im Zuge der Kollektivierung, Enteignung und Verfolgung
Die deutschen Siedlungen – umbenannt
1935 die ersten deutschen Bewohner verschleppt und ermordet
1938-39 alle deutschen Verwaltungseinheiten aufgelöst
1941 Deportation von nahezu allen 24000 Bewohnern aus rein deutschen Familien nach Kasachstan und Sibirien
Bis 1979 Rückkehr von ca. 2000 deutscher Deportierten nach Georgien
Künstlerin Irina
Schtenberg
– eine Ausnahme
„deutsche Tanten“
Slide14Deutsche und georgische Soldaten im zweiten Weltkrieg
700 000 georgische Soldaten in der Roten Armee
1942 deutsche Truppen im Kaukasus
„Georgische Legion“ (40 000 georgische Freiwillige) in der deutschen Wehrmacht
April-Mai 1945 Aufstand von 800 Georgiern eines Infanteriebataillons auf der holländischen Nordseeinsel
Texel
gegen die deutschen Vorgesetzten
Slide15Georgische Gelehrte und Literaten in Deutschland
Gerücht von der Reise des Königs
Erekle
II nach Wien und Deutschland (1967)
Besuch des Prinzen
Teimuras
zu Friedrich Wilhelm III nach Berlin (1836)
Besuch von Ilia
Tchavtchavadze in Berlin (1900)Studium in Deutschland:Ivane Javakhishvili
in Berlin (1901-1902)Schriftsteller Konstantine Gamsakhurdia in Königsberg, Leipzip
, München und Berlin
Michael
Tsereteli
– das georgische
Befreiungskommitee
in Berlin (1914-1918)
Schriftsteller
Grigol
Robakidze
in Leipzig und Berlin
Slide16Georgische Künstler in Deutschland
An der Akademie der Künste in München 7 georgische Studenten immatrikuliert (1895-1907), darunter:
Giorgi
(
Gigo
)
Gabashvili
Dimitri
Shevardnadze in München (1907-1914), Begründer der Assoziation georgischer Künstler (1916), der Nationalgalerie (1920), der Akademie der Künste und des Museums der schönen Künste (1922)
Slide17Zusammenarbeit
Städtepartnerschaft Saarbrücken-Tiflis: Generalintendant des Saarländischen Staatstheaters Hermann Wedekind (1973-1998) – erster Ehrenbürger der Republik Georgien (1995)
Hochschulpartnerschaft zwischen TSU und Friedrich-Schiller-Universität Jena: seit 1978 Zeitschrift
Georgica
Hochschulpartnerschaften zwischen georgischen und saarländischen Hochschulen (seit 1983)
Gert Hummel und die Versöhnungskirche in Tiflis (1998)
Zusammenarbeit in Archäologie und Museumsbereich
Slide18Einige Beispiele gegenseitiger Kulturrepräsentation
Repräsentation Georgiens in der dt. Literatur
Wanderer zwischen zwei Welten
Hans Werner Kettenbachs Roman
Davids Rache
, 2007
Grigol
Robakidze
Giwi
Margwelaschwili
Nino
Haratischwili
Slide19Giwi Margwelaschwili (1927)
geb. 1927 in Berlin
1945 mit dem Vater in den Ostsektor gelockt und ins sowjetische Internierungsalge „Sachsenhausen“ verbracht
Freilassung nach 1 1/2-jähriger Haft
Studium der Germanistik in Tiflis
1954-1970: Deutschlehrer am Pädagogischen Fremdspracheninstitut in Tiflis
1969, 1970: erste Besuche in Deutschland
Ausreiseverbot aufgrund des Kontaktes mit dem DDR-Dissidenten Wolf Biermann (bis 1987)
Übersiedlung nach Berlin, 1994 – deutsche Staatsangehörigkeit
Seit 2011: ständiger Wohnsitz in Tiflis, 2015 – doppelte Staatsbürgerschaft
Slide20Preise und Auszeichnungen
1995
Literaturpreis
des
Landes
Brandenburg
1997
Förderungspreis Literatur des
Kunstpreises Berlin1998 Ehrendoktor
der Staatlichen Universität
Tbilissi
2002 Gustav-
Regler
-
Preis
der
Stadt
Merzig
2006
Verleihung
der
Goethe-
Madaille
in Weimar
2008
Verleihung
des
Bundesverdienstkreuzes
am
Bande
2013
Verleihung
des
künftig
nach
ihm
benannten
deutsch-georgischen
Kulturpreises
2013
Verleihung
des
Italo
-
Svevo
-
Preises
2015
Anlässlich
seines 88.Geburtstages
Verleihung
des
höchsten
georgische
Orden
"The Presidential Order of Excellence“ und die
Ehrendoktorwürde
der
georgischen
Staatsuniversität
"
Ilia
"
Slide21Werke
Muzal
- ein georgischer Roman
, Inselverlag Frankfurt a.M., 1991;
Das böse Kapitel
, Erstes Buch des Romanzyklus „Die Große Korrektur“, Rütten &
Loening
, Berlin, 1991 Kapitän
Wakusch, Erster Band „In Deuxiland“, Autobiographischer Roman, Südverlag, Konstanz, 1991
Kapitän Wakusch, Zweiter Band „Sachsenhäuschen“, Südverlag, Konstanz, 1992 Der ungeworfenen Handschuh, Rütten &
Loening
, Berlin, 1992
Leben im
Ontotext
- Poesie - Poetik - Philosophie,
federchenverlag
, Neubrandenburg, 1993
Kapitän
Wakusch
, Dritter Band, Kaukasisches Haus,
Tbilissi
, 2006
Officer
Pembry
, Verbrecher Verlag, Berlin, 2007
Vom Tod eines alten Lesers, Erzählungen, Verbrecher Verlag, Berlin, 2008
Der
Kantakt
, Verbrecher Verlag, Berlin, 2009
Fluchtästhetische Novelle, Verbrecher Verlag, Berlin, 2012
Verfasser unser - Ein Lesebuch, Herausgegeben von Kristina
Wengorz
und Jörg
Sundermeier
, Verbrecher Verlag, Berlin 2013
Slide22Margwelaschwilis Philosophie: Ontotextologie
„Das
ist die
ontotextuelle
Verfassung des Menschen, das Prinzip, nach dem er als textlich
prädeterminierter
, als Textweltmensch, existiert, abhängig z. B. von den textuellen Grundlagen der großen Religionen (des Buddhismus, des Hinduismus, des Juden- und Christentums, des Islam), aber abhängig auch von anderen Texten der weltanschaulich-ideologischen Art, wie sie vor allem den geschichtlichen Gang unseres Jahrhunderts bestimmt haben und zum Teil auch immer noch bestimmen. Das ist einerseits die NS-Literatur, die das Schicksal Deutschlands von 1933 - 1945 geprägt hat, und andererseits sind es die Werke von Marx und Engels, welche - besonders in ihrer leninistischen und dann auch stalinistischen Um- und Verformung - die Grundlagen für den Gang der Geschichte in Russland und Osteuropa gestellt haben. Es ist unsere feste Überzeugung, dass alle Höhe- und Tiefpunkte der Menschheitsgeschichte in dem
ontotextologischen
Wesen dieser Geschichte verwurzelt sind, nämlich darin, dass sie - mindestens immer dort, wo sie die Denk- und Lebensweisen ganzer Völker(
tümer
) entscheidend
beformt
- sich stets nach speziellen
ontotextuellen
Vorlagen entfaltet, immer als ein von seinen entsprechenden Texten aufgerufenes und auf den Weg gebrachtes Weltgeschehen verständlich wird
.“
Slide23Margwelaschwilis ontotextologische Poetik
z
wei Texte bzw. Textwelten mit
einenader
verklammert vorgestellt
eine
ontothematisch
hauptsächliche, also im Wesentlichen vordergründige,
Textwelt
eine andere Textwelt, der hier nur eine meta-onto-thematische Bedeutung zukommt (Wirkung durch die metalogische, übernatürlichen Kräfte)
die Buchpersonen der ersten
Textweltrealität
– den
Gesetzlichkeiten des über sie eingesetzten Metatextes restlos
unterworfen
ein amoralischer- also als "böser"
Kode
=
die
Sujetentwicklung
vorantreibende
, sie auf ihre thematischen Ziele hin
programmierende Text
Ontotextologische
Schreibweise:
Faust
,
Morgenlandfahrt, Mann ohne Eigenschaften,
Heinrich Bölls Romane, Eco, Calvino
„Der
Verfasser dieser Schrift gehört - so sieht er sich jedenfalls - zu diesem
Schriftstellerischertyp
, d. h. er versucht zu allem, was er schreibt, eine
ontotextologische
Grundlage zu finden, den in seiner Mono-
onto
-
thematizität
eingefangenen Textweltmenschen als Erlösten, also in
ontothematischer
Freiheit, vorzustellen. “
Slide24Muzals Vorlage 1: Vazha
Pshavelas
Aluda
Ketelauri
Zweikampf zwischen
Aluda
Ketelauri und dem Kisten Muzal
Die Konfrontation mit den Chevsuren wegen der nicht mitgebrachten TrophäeKannibalischer Traum Aluda
Ketelauris
Mindia
bringt die Rechte
Muzals
,
Aludas
Auftritt gegen den Brauch des Handabschneidens
Opferung im Andenken an den Kisten
Aluda
wird mit seiner Familie des
Chevsuriens
verwiesen
Slide25Muzals Vorlage 1I: Nikoloz
Baratashvilis
Merani
Slide26Auszug aus Merani (In Übersetzung von
Giwi
Margwelaschwili
)
Es läuft und reißt, reißt mich fort, mein
Roß
ogne Weg und Spur
Und dicht hinter uns fliegt der Rabe, schwarz mit dem UnheilsblickLauf und lauf mein Roß
, wo kein Ziel ist, wo keine Ankunft ist.
So
verlaß
ich doch nun mein Vaterland und die Freunde, und die meines Alters
Und
seh
nimmermehr meine Eltern, noch die süß redet, meine Geliebte
Wo die Nacht anbricht, soll mein Tag sein und, die mir Heimat ist, eine Erde.
Und der Weg, mein
Roß
, den du stampfst,
Merani
, der Weg wird bleiben
Und dem Menschenbruder, der nach mir kommt, wird leichter sein die Bürde des Weges
Und sein Renner trägt tapfer ihn vorbei am Schicksal, am schwarzen Schicksal.
Slide27Aufhebung der Gewalt im Medium der Fiktion
Vorlage
Alternative
Aluda
Muzal
Schwarzer
Roß
Weißer
Merani
Rabe
Taube
Ziegenhirten
Stummer Ritter
Gewalt
Spielplanfahne
Autorintention
Leserbewusstsein
Slide28Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Slide29Quellen
Deutsche und Georgier vom Mittelalter bis heute
.
Tbilisi
, 2013
http://einung.org.ge
http://www.georgia-insight.eu/georgien/literatur.html
http://gratzfeld.ch/pages/de/authors.phphttp://
www.giwi-margwelaschwili.de/ontotextologie.html