kognitive Typologie der Zeit Prolegomenon Wolfgang Schulze KGEUMB ATSLMU 2009 Warming Up Tempus edax rerum Ovid Met xv234 Quid est ergo tempus Si nemo ex me ID: 483636
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Slide1
Eine kognitive Typologie der Zeit Prolegomenon
Wolfgang Schulze
KGE/UMB - ATS/LMU
© 2009Slide2
Warming UpTempus
edax
rerum
(Ovid, Met. xv,234)
Quid est ergo
tempus
? Si
nemo
ex me
quaerat
,
scio
;
si
quaerenti
explicare
velim
,
nescio
.
(
Augustinus
,
Confessiones
XI.14.17)
Tempora
mutantur
et nos
mutamur
in
illis
(Lothar I (795 - 855)?)
Denke immer daran,
dass es nur eine allerwichtigste Zeit gibt, nämlich: Sofort!
(Leo Tolstoi)
Dreifach kommt die Zeit:
Zögernd
kommt
die Zukunft hergezogen,
pfeilschnell
ist
das Jetzt
entflogen
,
ewig still
steht
die Vergangenheit.
(Friedrich Schiller)Slide3
1. Abschnitt
Einige Typen der ZuordnungSlide4
ZEIT ist unteilbar:"Der Unterschied zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ist für uns Wissenschaftler eine Illusion, wenn auch eine hartnäckige." (Albert Einstein (1879-1955), ohne Quelle)Slide5
ZEIT ist JETZT und EINS: Το
,
γε μη
.
ν νυ
/
ν α
v
ει
.
πα
,
ρεστι τω
/|
ε
`
νι
.
δια
.
παντο
.
ς του
/
ει
=
ναι
\
ε
;
στι γα
.
ρ α
v
ει
.
νυ
/
ν ο
[
τανπερ η
=|.
„Das Jetzt aber wohnt doch dem Eins bei während seines ganzen Seins.
Denn es ist immer jetzt, solange es ist
.“ (Platon,
Parmenidēs
151a, Übers. Franz
Susemihl
).Slide6
ZEIT ist apriori (1) (Kant): Die Zeit ist
1. kein empirischer Begriff, der irgend von einer Erfahrung abgezogen worden. Denn das
Zugleichsein
oder Aufeinanderfolgen würde selbst nicht in die Wahrnehmung kommen, wenn die Vorstellung der Zeit nicht a priori zum Grunde läge. Nur unter deren Voraussetzung kann man sich vorstellen,
daß
einiges zu einer und derselben Zeit (zugleich) oder in verschiedenen Zeiten (nacheinander) sei. Slide7
ZEIT ist apriori (2) (Kant):2. Die Zeit ist eine notwendige Vorstellung
,
die allen Anschauungen zum Grunde liegt.
Man kann in Ansehung der Erscheinungen überhaupt die Zeit selbst nicht aufheben, ob man zwar ganz wohl die Erscheinungen aus der Zeit wegnehmen kann.
Die Zeit ist also a priori gegeben
. In ihr allein ist alle Wirklichkeit der Erscheinungen möglich. Diese können insgesamt wegfallen, aber sie selbst (als die allgemeine Bedingung ihrer Möglichkeit,) kann nicht aufgehoben werden. (Kant:
Kritik der reinen Vernunft
(1787) Hier: Der transzendentalen Ästhetik Zweiter Abschnitt: Von der Zeit § 4 (Metaphysische Erörterung des Begriffs der Zeit).Slide8
Veränderung und Bewegung ist in der ZEIT: (…) der Begriff der Veränderung und, mit ihm, der
Begriff der Bewegung
(als Veränderung des Orts) [ist] nur durch und in der Zeitvorstellung möglich:
daß
, wenn diese Vorstellung nicht Anschauung (innere) a priori wäre, kein Begriff, welcher es auch sei, die Möglichkeit einer Veränderung, d. i. einer Verbindung kontradiktorisch entgegengesetzter Prädikate (z.B. das Sein an einem Orte und das Nichtsein eben desselben Dinges an demselben Orte) in einem und demselben Objekte begreiflich machen könnte. Nur in der Zeit können beide kontradiktorisch-entgegengesetzte Bestimmungen in einem Dinge, nämlich
nacheinander
, anzutreffen sein. (Kant (ebenda) § 5).Slide9
ZEIT ist einholbar:Schulmeister: (…) daß das auseinandergelaufene Heer des
Ypsilanti
am 25sten künftigen Monats in einer großen Bataille gesiegt hat.
Tobies
(Nase und Maul aufsperrend)
: Am 25sten
künftigen
-?
Schulmeister:
. Wundern Sie sich nicht, Herr
Tobies
! Die Kuriere gehen rasch! Verbesserte Poststraßen, verbesserte Poststraßen!
Tobies
: Jesus Christus! so 'ne Poststraße, worauf der Kurier einen Monat vorausläuft, möchte ich vor meinem Tode wohl 'mal sehen!
Schulmeister
: Freilich ist so etwas hier zu Lande rar! Aber, Herr
Tobies
, Sie werden ja aus eigner Erfahrung bemerkt haben,
daß
ein gutes Pferd auf einer guten Chaussee den Weg von einer Stunde in einer halben zurücklegt; wenn Sie sich nun das Pferd immer besser und die Chaussee immer vortrefflicher denken, so
muß
es ja natürlich dahin kommen,
daß
das Pferd den Weg in einer Viertelstunde, in zehn Minuten, in einer Minute, in nichts, in
garnichts
und zuletzt in noch weniger als gar nichts zurücklegt! Begreifen Sie? (Christian Dietrich Grabbe (1822).
Scherz, Satire, Ironie
und tiefere Bedeutung Ein Lustspiel in drei Aufzügen
. Hier: 1. Akt.) [vgl. auch Zenon-Paradoxon von Achilles und der Schildkröte)]Slide10
Ist Zeit messbar?scio quia metimur
,
nec
metiri
quae
non
sunt
possumus
, et non
sunt
praeterita
vel
futura
.
praesens
vero
tempus
quomodo
metimur
,
quando
non habet
spatium
?
metitur
ergo cum
praeterit
, cum
autem
praeterierit
, non
metitur
;
quid
enim
metiatur
non
erit
.
sed
unde
et qua et quo
praeterit
, cum
metitur
?
unde
nisi
ex
futuro
? qua
nisi
per
praesens
? quo
nisi
in
praeteritum
? ex
illo
ergo
quod
nondum
est
, per
illud
quod
spatio
caret
, in
illud
quod
iam
non
est
.
quid
autem
metimur
nisi
tempus
in
aliquo
spatio
?
neque
enim
dicimus
simpla
et
dupla
et
tripla
et
aequalia
, et si
quid
hoc
modo
in
tempore
dicimus
nisi
spatia
temporum
. in quo ergo
spatio
metimur
tempus
praeteriens
?
utrum
in
futuro
,
unde
praeterit
?
sed
quod
nondum
est
, non
metimur
. an in
praesenti
, qua
praeterit
?
sed
nullum
spatium
non
metimur
. an in
praeterito
, quo
praeterit
?
sed
quod
iam
non
est
, non
metimur
. (Augustinus (345-430)
Confessiones
XI,21.27).Slide11
Ich weiß es, daß wir sie messen, und daß das, was nicht ist, nicht gemessen werden kann, und
daß
Vergangenheit und Zukunft nicht sind. Wie messen wir aber die gegenwärtige Zeit, wenn sie keine Ausdehnung hat? Sie wird gemessen, wenn sie vorübergeht, wenn sie aber bereits vorübergegangen ist, wird sie nicht mehr gemessen, weil dann nichts mehr da ist, was gemessen werden kann. Aber woher, wie und wohin geht sie vorüber, indes sie gemessen wird? Woher, wenn nicht aus der Zukunft, wie, wenn nicht durch die Gegenwart, wohin, wem nicht in die Vergangenheit? Aus dem also, was noch nicht ist, durch das, was keine Dauer hat, zu dem, was nicht mehr ist. Was messen wir aber, wenn nicht die Zeit in irgendeiner Ausdehnung? Denn wenn wir sagen: Das Einfache, das Doppelte, das Dreifache, das Gleiche, so sagen wir das nur von der Zeit in ihrer Ausdehnung und Dauer. In welcher Dauer messen wir also die vorübergehende Zeit? Etwa in der Zukunft, von wo aus sie vorübergeht? Aber was noch nicht ist, messen wir nicht, oder in der Gegenwart, durch die sie vorübergeht? Aber wir können nicht messen, was keine Dauer hat. oder in der Vergangenheit, wohin sie vorübergeht. Aber wir können nicht messen, was nicht mehr ist. (Übers. Otto F. Lachmann).Slide12
Zeit ist messbar….Nicht allein aber messen wir die Bewegung mit der Zeit, sondern auch mit der Bewegung die Zeit; weil sie durch einander sich bestimmen. Die Zeit nämlich bestimmt die Bewegung, indem sie ihre Zahl ist; die Bewegung aber die Zeit. Und wir sagen viel oder wenig Zeit, indem wir sie mit der Bewegung messen, gleichwie auch mit dem Zählbaren die Zahl, z.B. mit dem Einen Pferde, die Zahl der Pferde. Mittelst der Zahl nämlich zwar erkennen wir die Menge der Pferde; umgekehrt aber mittelst des Einen Pferdes, die Zahl selbst der Pferde. Eben so auch bei der Zeit und der Bewegung: durch die Zeit nämlich die Bewegung, durch die Bewegung aber messen wir die Zeit (Aristoteles
Physikê
akroasis
,
cap
. XII)Slide13
Zeit ist die Summe von ZuständenZenon sagt, dass ein fliegender Pfeil in jedem Moment seiner Flugbahn einen bestimmten, exakt umrissenen Ort einnimmt. An einem exakt umrissenen Ort befindet sich der Pfeil in Ruhe, denn an einem
Ort kann er sich nicht bewegen. Da sich der Pfeil in jedem Moment also in Ruhe befindet, müsste er sich insgesamt in Ruhe befinden. (Pfeil-Paradoxon des Zenon von
Elea
(~490-~430), vgl. Aristoteles
Physikê
akroasis
,
cap
. IX).Slide14
Zeit'teile' sind soziale Konstruktionen: Ära-Zeitskala (…), die es den lebenden Generationen ermöglichte, ihren eigenen Platz in der Generationsabfolge präzise zu bestimmen. (Norbert Elias (1988)
Über die Zeit
, p.23). Slide15
Zeit ist Macht und ein fait social
Die Entwicklung eines derartigen Maßstabs für lange, nicht-wiederkehrende Zeitsequenzen wäre erst möglich, als soziale Einheiten wie Staaten oder Kirchen den Charakter eines langdauernden Wandlungskontinuums gewannen, innerhalb dessen lebende Gruppen - gewöhnlich herrschende Gruppen - es um der Funktionsfähigkeit ihrer Institutionen willen für nötig erachteten, die Erinnerung an die Kontinuität dieser Institutionen in einer präzisen und artikulierten Weise lebendig zu halten." (Norbert Elias (1988)
Über die Zeit
, p.24).Slide16
Realtime Eine über all dem schwebende Zauberformel lautet: Realtime. Dabei bilden sich - gleichsam hinter dem Rücken der Mehrheit - neue Kompetenzstrukturen heraus, verändern sich ökonomische Zeitregeln: Zeitvorsprünge, Echt- und Gleichzeitigkeit werden zum wichtigen Faktor im
Entwicklungsprozeß
moderner Gesellschaften (Dieter Hoffmeister, U
Müster
; Institut für Soziologie, SS 2000)Slide17
Zeit als soziale Realität Die »Zeit« ist eine soziale Realität. Sie ist aber keine objektive Realität, kein von der Existenz von Menschen unabhängiger Gegenstand. Das Aufeinander-Abstimmen von Ereignissen (timen) ist ein menschliches Verhalten. »Zeit« ist nicht eine a priori gegebene Bedingung menschlicher Erkenntnis. Es gibt nicht Die Zeit. Sie ist nicht, wie z.B. Kant gedacht hat, »die formale Bedingung a priori aller Erscheinungen überhaupt« (
KdrV
, B51), die »Form des inneren Sinnes« (
KdrV
, B49). Sie ist auch kein biologisch bedingtes Grundmuster menschlichen Handelns überhaupt, keine individuelle Eigenschaft, Fähigkeit oder
Verstehensstruktur
.
Das hoch elaborierte
Zeitbewußtsein
, wie wir es heute besitzen, ist vielmehr erst die Folge eines menschheitsgeschichtlichen Lernprozesses
(vgl. Thomas Heinrichs (1999).
Zeit der
Uneigentlichkeit
. Heidegger als Philosoph des Fordismus
, Münster 1999, S. 40-55)Slide18
Götter der Zeit?Chronos (?): Urprinzip, Personifikation der Lebenszeit, Gott der Liebe und des Lichts, Lebensbringer. Bis auf Zeus verschlang er alle seine Kinder, um nicht von ihnen entmachtet zu werden. [Beziehung zu Fruchtbarkeitsgott
Cerunnos
der Kelten?]
Zervan
(~
Zurvan
,
zrwan
) = „Zeit“. Iranischer Gott der Zeit; Vater von
lichtem
Ahura Mazda und
dunklem
Ahriman
. Als Schicksalsgottheit mit
Chronos
verwandt. Slide19
2. Abschnitt
Radical
Experientialism
,
kognitive Typologie
und
die ZEITSlide20
Radical Experientialism
Sprache (
grosso
modo
): Ein
in seinen Symbolisierungsverfahren gelerntes, daher vergesellschaftetes (kollektives), tradiertes und als Wissen gespeichertes, artikulatorisches Ausdrucksystem kognitiver Zustände (Wahrnehmung in Erfahrung), dessen Wirksamkeit als Kommunikation konstruiert wird. Slide21
SprachstrukturenSprachstrukturen sind bedingt durch den perzeptiven Apparat, die Verarbeitung des diesbezüglichen Outputs als Erfahrung und Routinen und die Kopplung der daraus emergenten
konzeptuellen Ebene mit dem artikulatorischen (motorischen) Apparat der Atmungshemmung (sprachbasierte Symbolisierung). [Stark vereinfacht]Slide22
SchemataBeispiele: Basal: Unmittelbar sensorisch begründete Schemata e.g. F -> G
Konstruiert (mit Eigenwahrnehmung):
e.g. MOTION (EGO- ~ ALTRI-)
-> Die Konstruktion von Bewegung erfolgt
inferentiell
über die Füllung von
Wahrnehmungssakkaden
gekoppelt mit
sensomotorischen
Mustern/
Wahrnemungen
der Eigenbewegung. Slide23
Die Konstruktion von Bewegung
G1 G2 G3 G4
F 1 F 2 F3 F4
Sakkaden
Fixationen
Bewegung von F in G1-G4 Slide24
Bewegung und ZeitWenn G1-Gn und und F1-Fn als verwandt‘ konstruiert werden, ergibt sich:
F1(G1) F1‘(G1‘) F1‘‘(G1‘‘) F1‘‘‘(G1‘‘‘) ……. F1
n
(G1
n
)
Sakk
1
Sakk
2
Sakk
3
Sakk
n
-> F bewegt sich in GSlide25
Bewegung 1:
Ground
dynamischSlide26
Bewegung 2:
Figure
dynamisch
G1 G8 G7
G2 G6
G3 G5
G4Slide27
Zeit als SakkadeIm sensorischen Gedächtnis (überführt in Kurzzeitgedächtnis) werden Einzelbilder sequentiell gespeichert und im ‚neuen‘ Bild ‚wiederbelebt‘:
B
1
B
2
B
3
B
4
B
5
B
6
B
7
B
8
B
9
B
10
B
11
B
12
B
13
B
14
B
15Slide28
ZEIT ist Wahrnehmung in ErfahrungZEIT ist abhängig von Wahrnehmung.
Ohne Wahrnehmung gibt es keine ‚autonome‘ Zeit.
->
Das physikalische RAUM-ZEIT-Kontinuum ist für die Konstruktion der ZEIT unerheblich.
Wahrnehmung
konstruiert
Bewegung.
Bewegung wird
konstruiert
als
Veränderung.
ZEIT resultiert aus der
Inbeziehungsetzung
der Wahrnehmung varianter, aber ‚verwandter‘ Umweltreize.
ZEIT resultiert also aus der
Inbeziehungsetzung
von Wahrnehmung und Erfahrung.
Dabei ist ZEIT selbst ein
emergentes
Schema, das unmittelbar konzeptualisiert werden
kann
.Slide29
Dynamizität der ZeitZEIT-Wahrnehmung erfolgt auf der Basis der Dynamizität (‚Bewegung‘) der Erfahrung:
ZEIT
Wahrnehmung UR >
ur
‘ Memory Slide30
Zeit ist (zyklische) Veränderung (1)Die Wahrnehmung von Veränderung beinhaltet also die Fixation->Speicherung etwas Wahrgenommenen (> Erfahrung) und (nach
Sakkade
, s.u.) die Fixation->Speicherung eines varianten Analogons, wobei die qualitative/quantitative Differenz als Veränderung und in ihrer Kopplung mit dem Gedächtnisappell als ‚Zeitdifferenz‘ konstruiert wird.
Die konstante Wahrnehmung von Eigen- und Fremdveränderungen bedeutet die Konstruktion eines ‚Zeitpfeils‘.
Damit verbunden ist die Erfahrung von Geburt und Tod als Skalen auf dem Zeitpfeil. Slide31
Zeit ist (zyklische) Veränderung (2)Die Wahrnehmung/Erfahrung rekursiver Veränderungen (e.g. Tag -> Nacht -> Tag -> Nacht etc.) ermöglicht ‚prognostische‘ Konstruktionen:
Auf den Tag folgt die Nacht
.
Dann ist Zukunft lediglich eine
projezierte
Vergangenheit
(
die kommende Nacht ist analog zu dem, was dem (jetzigen) Tag vorausgegangen ist
).
Zyklische Veränderungen werden als Teil des globalen Zeitpfeils konstruiert: Slide32
Zeit ist (zyklische) Veränderung
(3)
Zyklische Veränderung von F in G
t
0
t
nSlide33
Die ‚Konzeptualisierung‘ der ZEITKonzeptualisierung: Schema-basierte Fixierung von Erfahrungssegmenten, die kategoriell
als ‚verwandt‘ verarbeitet werden:
Disjunkt
Prototypisch
Radial
Familienähnlich
Embodiment
Konzeptualisierung ist sprachunabhängig!Slide34
Die Allegorie der ZEIT
www.fes.de/.../
internet
/
images
/s-
schur
/zeit.jpg
www.realschule.bayern.de/.../
bilder
/uhr_dali.jpg
Ilse Schütze-Schur: Die Zeit (um 1921) Salvatore Dali:
Persistence
of
Time (1931)
Originalholzschnitt (40,5 cm x 36,5 cm) (Ausschnitt)Slide35
AllegorieAllegorie: Die reifizierende (
dimensionale
) Abbildung von Vorstellungen, die
nicht-dimensionale
Umweltreize abbilden.
->
Reifikation
kognitiver
Sakkaden
Slide36
Kognitive Sakkaden (1)
http://www.badminton-technik.de/vh_aufschlag.html /
modifiziert]
Fixation
1
Fixation
2
Sakkade
Mensch bewegt ArmeSlide37
Kognitive Sakkaden (2)ZEIT kann nicht sensorisch als dimensional erfahren werden.
Ergo: ZEIT ist eine kognitive
Sakkade
, die die Wahrnehmung/Erfahrung von Bewegung/Veränderung etc. schematisiert.
Die Konzeptualisierung von ZEIT kann also nur auf
einer höherer Ebene (Ereignisvorstellung) erfolgen.
Gleichzeitig liefern die relationalen (
Sakkaden
-)
Vorstellungen die Quelldomäne für die dann über
Metaphorisierung gewonnenen ZEIT-Vorstellungen. Slide38
Konzeptuelle MetaphernBeispiele der metaphorischen Gewinnung von ZEIT-Konzeptualisierungen
Zieldomäne Quelldomäne
ZEIT
ist
Bewegung/Prozess
ZEIT
ist
Veränderung
ZEIT
ist
vor ~ nach
Slide39
Die Reifikation der ZEITGriechisch: χρόνος
*das umfassende/Umfasste (?)
Latein:
tempus
*‘Ausdehnung‘?
Irisch:
aimser
(unklar)
Kymrisch:
pryd
*‘-mal‘ (?)
Gotisch:
È
eihs
*‘Ausdehnung‘
Altnordisch:
tīð
*‘Teil,
Antei
, Zuteilung‘
Litauisch:
laikas
*‘bleiben, halten‘ (?)
Avestisch
:
zvran
*‘alt‘
Sanskrit
kāla
-
(unklar)
Altkirchslawisch:
vrěmę
*‘Rücklauf, Rundlauf‘Slide40
Sprachbasierte Symbolisierung
Die sprach-basierte Symbolisierung von konzeptuellen Einheiten: Die artikulatorische Fixierung einer konzeptuellen Einheit:
Konzeptueller Raum
ArtikulationenSlide41
3. Abschnitt ZEIT
in
der SpracheSlide42
ZEIT als Raumkonzept (Deutsch)
In
die/der Zeit (in)
Über
die/der Zeit (
supra
)
supra
Kontaktzone
Hinter
die/der Zeit (post) super
Unter
der Zeit (
sub
)
Vor
der Zeit (
ante
)
ante
ad
in
post
post
An
der Zeit (ad)
sub
sub
Slide43
ZEIT ist teilbar
Von
der Zeit (
genitivus
/
ablativus
partitivus
)
Slide44
Weitere EigenschaftenZEIT ist ein Container: Aus der ZEIT heraus
In
die ZEIT hinein
ZEIT ist ein (humaner?) Begleiter
Sie ging
mit
der ZEIT.Slide45
ZEIT als Aktant (1)ZEIT als Aktant:Korpus (deutsch) mit 2536 Belegen (hier
höchstfrequente
Belege):
Subjective
(
intrans
. Agens)
:
1482
vergehen
404 <MOVE>
stehen
279 <STATE>
reif=sein
243 <STATE/FLORA>
verstreichen
167 <MOVE>
dauern
91 <EXTENSION>
Agentive
(
trans
. Agens
):
52
heilen
23 <HEEL>
bringen
19 <BRING>
Objective
(
trans
. Patiens): 1072
nehmen
147 <SEIZE>
rauben
123 <SEIZE>
verbringen
102 <?> Slide46
ZEIT als Aktant (2)Semantische Primitive (Auswahl):MOVE 791
THING 360
EXTENSION 114
POSSESSION 186
ANIMATE 124
PLANT 243
STAND 279
ERGO:
ZEIT (Deutsch) ist eine bewegliche/sich flüssig bewegende bzw. sich nicht bewegende (
un
)belebte, dreidimensionale Einheit (Ausschnitt).
ZEIT findet im Raum statt (F:
ZEIT
->G) oder ist Raum (Landmark) eines
Trajektors
(F->G:
ZEIT
). Slide47
Die Attribuierung der ZEITeinige 18048 QUANTITYgeraume 9410 DIMENSIONlang (Pos/
Kom
/
Sup
) 8202 DIMENSION
kurz (Pos/
Komp
/
Sup
) 5297 DIMENSION
absehbar 4966 VISIBIL
gleich 2344 IDENTITY
jene 2291 IDENTITY
meiste 2144 QUANTITY
unser 2003 POSSESSED
jung (
Komp
/
Sup
) 1832 AGE
ganz 1276 GESTALT
hoch (Superlativ) 824 DIMENSION
unabsehbar 500 VISIIAL
genügend 464 QUANTITY
selbe 378 IDENTITY
begrenzt 372 GESTALT
viel 309 QUANTITY
BASIS: 65305 Belege Slide48
Die Semantik der ZEITERGO (2): [Deutsch]
ZEIT ist eine begrenzte, teilbare, zählbare, sichtbare, bewegliche/sich flüssig bewegende bzw. sich nicht bewegende (
un
)belebte, dreidimensionale , mit Identität versehene Einheit, die penetrieren ebenso wie penetriert werden kann. [
vorläufig
]Slide49
4. AbschnittDie sprachliche Segmentierung der ZeitSlide50
Optionen der linguistisches Kodierung
Kog.Kat
.
Ling.Kat
.
Lexikalisch
Konstruktionell
Flektiv
Radikal
Lexikalisch
IdiomatischSlide51
Beispiele der Kodierung von ZEITLexikalisch:
Morgen
gehe ich in die Stadt.
Konstruktionell
(rad.): *ich
gehen Stadt
(~
nFUT
) /
*
gehen ich Stadt
(~FUT)
Konstruktionell
(lex.): Ich
werde
in die Stadt
gehen
.
Konstruktionell
(
idiom
.): *
Wenn=die=Sonne=aufgeht
(>
morgen
)
gehe ich in die Stadt.
Flektiv
: in
forum
i
bo
.
Je lexikalischer der
Zeit'ausdruck
', desto 'enger' ist der Zeit-Raum (spezifisch, überbestimmt).
Die Grammatikalisierung von
Zeit'ausdrücken
' öffnet den Zeit-Raum (unspezifisch, unterbestimmt).Slide52
Gründe der Segmentierung (1) Die Gegenwart zeigt man, aber das Vergangene muss man erzählen.
Und da man dies auf so viel Art erzählen konnte und anfangs im Bedürfnis, Worte zu finden, es so vielfältig tun
mußte
,
so wurden in allen alten Sprachen viel Präterita, aber nur ein oder kein Präsens.
(Herder (1772)
Abhandlung über den Ursprung der Sprache
,
3. Abschnitt V,3)Slide53
Gründe der Segmentierung (2)Warum gibt es konzeptuelle ‚Tempora‘ (besser: eineFaktorisierung der ZEIT)?
Grundlage: Die ‚
Zugänglichmachung
‘ des
Gedächtnisses!
- Kognitionsinterner Reiz (KIR ->
kir
‘):Slide54
REIZ-Verarbeitung in der Kognition (1)Jeder Umweltreiz (UR) wird primär in der Wahrnehmung durch den spezifischen sensorischen Apparat (-> sensorisches Gedächtnis) gebrochen.
Die daraus resultierende Abbildung (
ur
‘
) initiiert einen Erfahrungsappell (-> Gedächtnis (
μ
)), der gekoppelt ist mit dem durch
UR>
ur
‘
gegebenen aktuellen ‚Zustand‘ der Kognition (
α
).
Das Verfahren des
memory
appeal
(in seiner Korrelation mit
α
) kann einen kognitionsinternen Reiz (
KIR
) auslösen, der über eine unspezifische, interne
Sensorik
erneut in eine Abbildung (
kir
‘
) umsetzt wird.
kir
‘
wird dann analog zu
ur
‘
verarbeitet.
Der Prozess
KIR>
kir
‘
ist die Voraussetzung dafür, dass Gedächtnisinhalte (
μ
) ‚bewusst‘ gemacht werden können. Slide55
REIZ-Verarbeitung in der Kognition (2)
*UR
ur
‘
α
KIR
kir
‘
α
ur
‘
μ
kir
‘
μ
Slide56
Die Faktorisierung der ZEIT als kognitionsinterner Reiz (1)Die humane Fähigkeit, sich ihre eigenen
‚Gedächtnisprozesse‘ zu erschließen, gibt ihr die
Möglichkeit, Gedächtnisanteile selbst als Reiz (KIR)
auszulösen und entsprechend zu verarbeiten (ohne die
Kopplung mit einem unmittelbaren
ur
‘
α
)
*UR
->
ur
‘
μ
-> KIR ->
kir
‘
Der deiktische Hinweis auf diesen Prozess wird als
‚Vergangenheit
‘ konzeptualisiert.Slide57
Die Faktorisierung der ZEIT als kognitionsinterner Reiz (2)Der deiktische Hinweis auf eine hochgradige Aktivierung des
ur
‘
α
-Bereichs (unter Einschluss einer
ur
‘
μ
-Aktivität) wird als
‚Gegenwart‘
konz
eptualisiert
.
Die KIR-basierte Imagination eines UR mit Appell an
ur
‘
μ
führt zur Konstruktion von
ur
‘
α
‚
zukünftigt
‘
.
Slide58
REIZ-Verarbeitung in der Kognition (1)
Vergangenheit
*UR
ur
‘
α
KIR
kir
‘
α
ur
‘
μ
kir
‘
μ
Slide59
REIZ-Verarbeitung in der Kognition (2)
Gegenwart
UR
ur
‘
α
KIR
kir
‘
α
ur
‘
μ
kir
‘
μ
Slide60
REIZ-Verarbeitung in der Kognition (3)
Zukunft
*UR
ur
‘
α
KIR
kir
‘
α
ur
‘
μ
KIR
kir
‘
μ
Slide61
Augustinus über die Zeiten`tempora sunt
tria
,
praesens
de
praeteritis
,
praesens
de
praesentibus
,
praesens
de
futuris
.'
sunt
enim
haec
in
anima
tria
quaedam
et
alibi
ea
non
video
,
praesens
de
praeteritis
memoria
,
praesens
de
praesentibus
contuitus
,
praesens
de
futuris
expectatio
.
si haec permittimur dicere, tria
tempora video fateorque, tria
sunt. dicatur etiam, `tempora
sunt tria, praeteritum, praesens, et futurum
,' sicut abutitur consuetudo; dicatur
. (Augustinus Confessiones XI,20.26)Es gibt drei Zeiten, eine Gegenwart in Hinsicht auf die Gegenwart, eine Gegenwart in Hinsicht auf die Vergangenheit und eine Gegenwart in Hinsicht auf die Zukunft
. In unserem Geiste sind sie wohl in dieser Dreizahl vorhanden, anderswo aber nehme ich sie nicht wahr. Gegenwärtig ist hinsichtlich des Vergangenen die Erinnerung, gegenwärtig hinsichtlich der Gegenwart die Anschauung und gegenwärtig hinsichtlich der Zukunft die Erwartung. Wenn es uns gestattet ist, so zu sagen, so sehe ich allerdings drei Zeitunterschiede und gestehe,
daß es wirklich drei gibt. Man mag auch sagen: Es gibt drei Zeiten, Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft, wie es einmal der Mißbrauch
der Gewohnheit ist; mag man es sagen,Slide62
Tempus in der Antike (1)Tempus
praesens
de
praeteritis
praesens
de
praesentibus
praesens
de
futuris
memoria
contuitus
expectatio
esse
nosse
velle
visio
voluntas
intelligentia
providentia
Slide63
Tempus in der Antike (2) Prudentia
est
rerum
bonarum
et
malarum
neutrarumque
scientia
.
Partes
eius
:
memoria
,
intellegentia
,
providentia
.
Memoria
est
, per quam animus
repetit
illa
, quae
fuerunt
;
intellegentia
, per quam ea
perspicit
, quae
sunt
;
providentia
, per quam
futurum
aliquid
videtur
ante quam factum est.
Cicero,
de
inventione
2.160
“Weisheit ist das Wissen um das, was gut ist, was schlecht ist, was keines von beiden ist. Ihre Teile (sind): Gedächtnis, Wahrnehmung und Vorausschau. Gedächtnis (ist), wodurch sich der Geist daran erinnert, was geschehen ist. Wahrnehmung (ist), wodurch er feststellt, was ist. Vorausschau (ist), wodurch etwas gesehen wird, bevor es geschehen ist“ (Übers. W. Schulze).
Vgl. Aristoteles (
De Memoria et Reminiscentia 1, 449b, 27)
του/ δε.
νυ/ν εv
ν τω|/ νυ/
ν ουvκ ε
;στι μνη,μη, καθα
,περ ει
;ρηται και. προ
,τερον, α
vλλα. του
/ με.
ν παρο,ντος αι
;
σθησις, του
/
δε
.
με
,
λλοντος ε
v
λπι
,
ς, του
/
δε
.
γενομε
,
νου μνη
,
μη.
„Vom Jetzt ist im Jetzt keine Erinnerung, wie schon vorher gesagt, sondern
Wahrnehmung des Bestehenden, Erwartung des Zukünftigen, Erinnerung des Entstandenen
.“ (Übers. W. Schulze). Slide64
Die Triade der ZEIT in der Sprache
Tripartite
Bipartite
(1)
Bipartite
(2)
Bipartite
(3)
Neutral
PRESENT
PRES
nFUT
nPAST
PRES
General
PAST
PAST
FUT
PAST
nPRES
FUTUR
FUT
nPAST
Sprache
(
exempl
.)
Latein
Pama-Nyunga
Germanisch
Archi
(
i.T
.)
Vietnam.Slide65
Die Begrifflichkeit der Zeit-‘Stufen‘Vergangenheit: Lehnübersetung aus lat. praeter-itum
‚was vorüber
gegangen
ist‘
Gegenwart: Schon ahd.
ge
ginwartī
~
andwart
(
adj
.) mit
-wart
zu lat.
vertere
= 'dem Gegenüber zugewandt' , vgl. "
in meinem
gesichtskreis
gegen mich gekehrt oder gegen mich herkommend
" (Grimm V,sp.2281), vgl. Latein
praesens
‚was vor(a)n steht‘ [‚ZEIT‘ erst später]
Zukunft: Schon ahd.
zuochunft
'was einem
zu
komm
t' (vgl. franz.
avenir
)['ZEIT' erst ab spätem Mhd.]
Slide66
Schematisch (Deutsch)
PAST PRESENT FUTURE
Gegen- wart
KOG
ver
-gehen zu-kommenSlide67
GrammatikalisierungsbasenPRESENT PAST FUTUREessive
ablative
allative
come
come
=
from
come
=
to
comitative
get
copula
do
go
deontic
modality
essive
have-possession
go
=
to
exist
itiv
have-possession
go
(=in) pass
love
/
want
in (
spatial
)
throw
obligation
keep
yesterday
takelie
thenlive tomorrowlocative
ventivesit stand (vgl. u.a. Heine & Kuteva
2002) Slide68
BasiskonzeptualisierungGegenwart ist Sein in/an
einer Ereignisvorstellung
-> (ANTE-)ESSIV
Vergangenheit ist
Separierung
von einer Ereignisvorstellung
-> ABLATIV
Zukunft ist
Zuwendung hin zu
einer Ereignisvorstellung
-> ALLATIVSlide69
Raum- und Zeit-Paradigmatisierung
ZEIT
RAUM
ZEIT
RAUM
ZEIT
RAUM
ZEIT
RAUM
ZEIT
RAUM
TRI
BI(1)
BI(2)
BI(3)
NEUTRAL
PR
ESS
nFUT
nALL
PR
ESS
nPA
nABL
GEN.
LOC
PA
ABL
nPR
nESS
PA
ABL
FU
ALL
FUT
ALL
nPA
nABLSlide70
Points of Reference (1)Die Fixierung der Zeit-‘Stufen‘ basiert auf dem Typ der
Zuordnung von
Figure
und
Ground
:
KOG definiert sich in seiner (primär räumlichen)
Beziehung zu einer Ereignisvorstellung
Trajektor
REL Landmark
a.
F:KOG
->/ESS/ABL/ALL G:EV
b. F:EV ->/ESS/ABL/ALL
G:KOG
E.g.
KOG
entfernt=sich=von
einer Ereignisvorstellung PAST/
Egomotion
Eine Ereignisvorstellung
kommt=zu=auf
KOG FUTURE/
AltrimotionSlide71
Points of Reference (2)Intern:
COG konstruiert sich als
im
Zeitpfeil befindlich (
EGO-Reference Point
)
ALTRIMOTION:
Integration der Kategorie
VENTIV/ITIV
:
Ventiv
:
X bewegt sich zum Zentrum hin
E.g
: Zukunft (
kommen
)
Itiv
:
X bewegt sich vom Zentrum weg
E.g.: Vergangenheit (
gehen
)Slide72
Points
of
Reference (3)
EGOMOTION:
VENTIV:
Ich
komme
aus der Vergangenheit.
ITIV:
Ich
gehe
in die Zukunft.
EGO VENTIV ITIV
PAST
PoR
FUTURE
ALTRI ITIV VENTIVSlide73
Points of Reference (4)VISION
"Die praktisch erkannte Gegenwart ist keine Messerschneide, sondern ein Sattelrücken mit einer gewissen ihm eigenen Breite, auf den wir uns gesetzt finden und
von dem aus wir nach zwei Seiten in die Zeit hineinblicken.
"
(
William James
(1886). The Perception of Time. [1886] In:
The Principles of Psychology
(Chapter XV).
London 1901. Deutsch: Die Wahrnehmung der Zeit. In: Klassiker der modernen Zeitphilosophie. Hrsg. v. Walther
Ch
. Zimmerli, Mike Sandbothe. Darmstadt 1993. S. 31-6, hier p.35).Slide74
Points of Reference (5)a. FACING THE PAST (der Aymara-Typ)
PAST
PoR
FUTURE
Gesehen Sichtbar Nicht gesehen
Vor
Augen Nicht vor Augen /
hinter
Gesehen>Gewusst Nicht gesehen>nicht gewusst
[vgl.
οι
=
δα
-Prinzip]
Aymara :
nayra
pacha
(Augen/Front/Sicht-Zeit) Geste nach vorne > PAST
q'ipa
pache
(Rückseite-Zeit) Geste nach hinten > FUTURESlide75
Points of Reference (6)b. FACING THE FUTURE
PAST
PoR
FUTURE
Gesehen Sichtbar Nicht gesehen
Nicht vor
Augen
Vor
Augen
Gesehen>Gewusst Nicht gesehen>
vor
gestellt
Deutsch:
Morgen
Geste nach vorne > FUTURE
Gestern
Geste nach hinten > PASTSlide76
Points of Reference (7)c. Das chinesische Modell
oben
vorn hinten
unten
Mit: Yang = 'formlose Zeit
Yin = 'durch ein Objekt geformte Zeit' (mit zwei Grenzen)Slide77
Points of Reference (8)Externer PoR
:
Separatum
Projektion
Basales Verfahren
PoR
PA
FUSlide78
Points of Reference (9)Externer
PoR
(1)
Separatum
Projektion
Profilierung des Zeit-Abschnittes (1):
PoR
‚blickt‘ in die Vergangenheit [
PoR
ist intrinsisch ‚links‘ profiliert]:
Ich komme vor dem Essen
(
vor
der Zeit des Essens) [MOTION in einen Zeitraum hinein, der vor dem des Essens liegt]
Ich komme nach dem Essen
(
nach/hinter
der Zeit des Essens) [Motion in einen Zeitraum hinein, der hinter dem des Essens liegt.]
PoR
PA vor
FU nachSlide79
Points of Reference (10)Externer
PoR
(2)
Separatum
Projektion
Profilierung des Zeit-Abschnittes (1):
PoR
‚blickt‘ in die Zukunft [
PoR
ist intrinsisch ‚rechts‘ profiliert].
PoR
PA nach
FU vorSlide80
Points
of
Reference (11)
Analog zu
PoR
/ extern (1):
Vor-fahren
(~
gehen
) /
Nach-kommen
Vor-gestern
/ *
nach morgen
(vgl. engl.
after
tomorrow
)
t
n
t
o
vor nach
nach
nach
nach
nach
->vor ->vor ->vor ->vor -vor Slide81
5. AbschnittConclusioSlide82
CONCLUSIO (1)Tizian: Allegorie der Zeit (1565; Org. 75,5 x 68,5 cm)Auschnitt:
Original Umstellung
links/rück rechts/vorn links/vor rechts/rückSlide83
Conclusio (2)Kognitive Linguistik kann nicht klären, was ZEIT
ist
, sondern nur wie etwas
als Zeit
konzeptualisiert wird.
Es gibt keinen universellen ZEIT-Begriff.
Universell ist die Konzeptualisierung von gedächtnisbezogenes kognitiven Ereignissen.
Dabei gilt: Die Triade der ZEIT (PAST/PRES/FUT) ist eine universelle, operationale Eigenschaft der humanen Kognition.
Die
emergente
Konzeptualisierung dieser Eigenschaft als e.g. ‚Vergangenheit‘, ‚Gegenwart‘ und ‚Zukunft‘ erwächst mit der zunehmenden Verarbeitung von Gedächtnis-Ereignissen als
kognitionsinterne
Reize (‚Bewusstwerdung‘)
ZEIT ist das Wissen um die eigene Erfahrung.Slide84
Conclusio (3)Die sprachbasierte Konzeptualisierung von ZEIT-Dimensionen beruht nicht auf der Vorstellung von ‚Zeit‘, sondern resultiert aus der Metaphorisierung heterogener Quelldomänen. Eine umfassende lexikalische Typologie, die Präferenzen für bestimmte Quelldomänen in den Sprachen der Welt aufzeigen würde, fehlt jedoch noch.
Die Fraktionierung der ZEIT (Triade) wird hingegen weitaus einheitlicher konzeptualisiert. MOTION und VISION sind die zentralen Verfahren.
Die Fraktionierung der ZEIT läuft dabei konzeptuell analog zur Dimension der
Trajektor
-Landmark-Beziehung (
Essiv
, Ablativ, Allativ). Slide85
Conclusio (4)Die Grammatikalisierung der ZEIT-Fraktionen beruht auf der Explikation oder Unterspezifikation der Triade PRES/PAST/FUTURE. Der Grad der Differenzierung ist sprachspezifisch.
TEMPUS ist eine rein linguistische Kategorie und reflektiert die kognitiven Verfahren zur Konzeptualisierung der ZEIT-Triade nur bruchstückhaft.
Ergo: ZEIT ist keine linguistische Kategorie. Als kognitives Segment ist ZEIT eine
emergente
Struktur, die sekundär ‚vergesellschaftet‘ und als konzeptuelle Entität
reifiziert
werden kann.
Die Annahme, dass bestimmte Sprachgemeinschaften keinen Zeit-Begriff hätten, ist falsch (sie basiert irrig auf der Parallelsetzung von Tempus und Zeit).
ZEIT erfährt man, man ‚hat‘ sie nicht.